Examen & Yoga
Letztes Examen! In der Königsdisziplin der Abstraktion und auf der Spielwiese der sprühenden Phantasie einsamer Professoren und irrer Institutsbesitzer: Indogermanistik. Vor den Türen der Dozenten ist schon ein Haufen wilder Hühner versammelt - die sich gegenseitig im rezitieren dessen übertreffen, was sie aus Unmengen an Lehrbüchern auswendig gelernt haben. Ich fühle mich als Hahn im indogermanischen Korb.
Nein, nicht nur aus Lehrbüchern - von jeder Stunde liegt ein handschriftliches oder von der Kommilitonin kopiertes Transkript dessen vor, was der Dozent von sich gegeben hat. Inhalte werden fein säuberlich in mikrosopischer Schrift in Heften zusammengefasst und präpariert.
Wenn mein Blick so quer über diese Zusammenfassungen wandert, fällt mir sofort eines auf: Es gibt keinen einzigen Pfeil oder eine Gliederungsstruktur oder Zwischenüberschriften oder sonst irgendein Zeichen des abstrakten Aufarbeitens und Nachvollziehens der Materie. Es wirkt alles ein bisschen wie ein Fliesstext im Bustrophedon. Wehe dem, der die Antwort auf eine Frage nicht vorbereitet hat.
Das Examen an sich lief übrigens ganz gut. Indogermanistik ist im Prinzip ja auch nur die Frage nach dem "warum ist das eigentlich so" im Hinblick auf den Wust an unregelmäßig erscheinenden Wortformen, mit denen Schüler und Studenten sich lange, lange quälen müssen. Und mit ein bisschen Mut zum Masochismos ist es schon interessant, über das Wort "Joch" über das englische yoke über das lateinische iugum irgendwann über ein paar Lautgesetze beim griechischen ζεῦγος anzukommen. Und wenn man dann den Bezug zu yugam im Sanskrit herleitet, hören einem wenigstens wieder die Freundinnen von Yoga zu, während der Rest irgendwo lange zuvor aufgegeben hat. Die Wortwurzel hat übrigens was mit "zusammenbinden" zu tun, passt also ganz gut zu den Yoga-Verknotungen.
Die ganze Geschihte von der Sprachverwandtschaft erinnerte mich ein bisschen an eine Episode, die ich vor fünf Jahren einmal auf einer Fähre von Prince Rupert nach Haines in Alaska hörte. Ein sehr interessanter Mann der amerikanischen Forstverwaltung erzählte von der Nähe zwischen Land- und Meeresäugern. Danach kam er zu sprechen auf die Ureinwohner Alaskas und darauf, dass nicht zuletzt sprachliche Studien zeigen, wie sie verwandt sind mit Ureinwohnern auf der anderen Hemisphäre. Und er meinte, dass es für eine friedlichere Welt ganz sinnvoll wäre, wenn sich solche Fakten vielleicht rumsprechen würden.
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