Bologna
Früh 5 Uhr stahl ich mich mit der ersten Droschke gen Tiburtina, um dort die Express-Postchaise nach Bologna hin zu besteigen. Zu Florenz trat Tischbein zu mir in das compartement, und wir verbrachten einge fröhliche Stunden, und erreichten bald genug Bologna. Zuerst also San Petronio, jenes Monument, dessen Größe einst im Bau der Papst beschnitt, damit sein Ruhm nicht über Rom erstrahle. Welch nach Höherem strebende Genius des Baumeisters, der Prometheus gleich Jupiters Zorn nicht scheute und seine Blitze! Menschen, die solch edle Gesinnung zu begreifen nicht instande sind, sprechen im Verborgnen auch von finanziellen Problemen.





Den himmlischen Genius über rotgeziegelte Dächerei erhoben wir, und liessen ihn schweifen von den letzten Ausläufern der Apeninnen hinab in die weite Po-Ebene.

Tischbein ward von der eigenartigen Grille ergriffen, noch die Werke der Meister sehen zu wollen im Museum der Stadt, doch mich übermannte Hypnos des Weges. Müden Hauptes liess ich den Blick schweifen über üppige Malerei der Schulen Bolognens und Ferrarens, doch regte sich nicht mein Genius, in dergleichen zu erkennen, was zu schauen ich in den unprätenziösen Werken eines Perugins in der Lage war. Ein praller Pinsel schien hier vollste Farben zu spielen, doch wo war Grazie, wo Anmut, wo das Göttliche, wo die Vollkommenheit des Unvollendeten, was mich einst auch in den Skizzen Leonardos bebenden Herzens ergriff?
Nein, der Werke Guercins und Carracens sah ich einst schon zu Rom im Palast der Pamphilij und zu Gast beim Botschafter der Franzosen, und was ich hier vorfand, schien der Musen Geiste nicht geatmet zu haben. Wir verliessen diesen Ort, der mir kein Musenhain zu sein schien, und promenierten uns unter den langen Arkaden der Stadt, entlang der ehrwürdigen Universität, ein wenig, hin zum Markte, wo wir im Dufte von Spezereien und im Anblick allerlei konterfeitem Geschmeide eine Melone erstanden.

Tischbein ergriff behend das Klappmesser, und zerteilte sie in wohlproportionierte Schnitze, derer ich mich emsig bediente. Ich dachte an den Hunger, den einst Fürst Ugolino, von dem Dante uns zu berichten wusste, im Verlies mit seinem Söhnen empfanden haben musste, und mit welcher Selbstlosigkeit er sich seinen eigen Fleisch und Blute zur Speise vorsetzte. Ein wahrhaft dramatischer Stoff, und ich dachte lange nach, ob sich neben meiner "Iphigenie" auch daraus vielleicht ein weitres Theaterstück schmieden liesse. Doch warte ich immer noch auf Antwort aus Weimar, ob mein Götz ihnen überhaupt gefallen habe. Wenn nicht, so sollen sie mich im Arsche lecken, dachte ich, und biss lustvoll schmatzend in den Schnitz.
Mit mahnender Stimme rief Tischbein "Nicht so gierig, Herr Geheimrat", doch schon hatte sich der süsse Nektar über meinen weissen Gehrock verteilt. Aber Helios hatte seinen Pferden schon die Zügel gegeben, damit zum Ozean sie sich senken, und so fühlte ich mein Gewand in der Sonne des Nachmittags recht geschwind getrocknet. Gewärmten Gesäßes erhob ich mich, aus den Arkaden der Stadt zu klopfen einen Achtelzentner jenes interessanten rötlichen Gesteins, über dessen Konsistenz ich rätselte, seitdem wir des Morgens hier eingetroffen waren.

Doch Tischbein, jener Einfaltspinsel, schien die Begeisterung nicht zu teilen - noch nie hatte er die Faszination verstanden, mit welcher ich die Beschaffenheit der Mineralien und die Metamorphose der Pflanze zu ergründen suchte, wie zuletzt im botanischen Garten zu Padua - und tat mir Gewalt an, damit ich den Hammer wieder in den Dachsrucksack verschloss. "Na warte", dachte ich mir, "Herkules liess sich seine Keule auch nicht wegsperren", doch schon erschienen die Büttel der Stadt, und Tischbein riet zu Fersengeld. So erreichten wir schlechten Gewissens die Station der Postkutschen, und verliessen Richtung Florenz - ob ich aus Bologna getrieben oder daraus gejagt worden, wüßte ich nicht zu sagen.


Tischbein ergriff behend das Klappmesser, und zerteilte sie in wohlproportionierte Schnitze, derer ich mich emsig bediente. Ich dachte an den Hunger, den einst Fürst Ugolino, von dem Dante uns zu berichten wusste, im Verlies mit seinem Söhnen empfanden haben musste, und mit welcher Selbstlosigkeit er sich seinen eigen Fleisch und Blute zur Speise vorsetzte. Ein wahrhaft dramatischer Stoff, und ich dachte lange nach, ob sich neben meiner "Iphigenie" auch daraus vielleicht ein weitres Theaterstück schmieden liesse. Doch warte ich immer noch auf Antwort aus Weimar, ob mein Götz ihnen überhaupt gefallen habe. Wenn nicht, so sollen sie mich im Arsche lecken, dachte ich, und biss lustvoll schmatzend in den Schnitz.
Mit mahnender Stimme rief Tischbein "Nicht so gierig, Herr Geheimrat", doch schon hatte sich der süsse Nektar über meinen weissen Gehrock verteilt. Aber Helios hatte seinen Pferden schon die Zügel gegeben, damit zum Ozean sie sich senken, und so fühlte ich mein Gewand in der Sonne des Nachmittags recht geschwind getrocknet. Gewärmten Gesäßes erhob ich mich, aus den Arkaden der Stadt zu klopfen einen Achtelzentner jenes interessanten rötlichen Gesteins, über dessen Konsistenz ich rätselte, seitdem wir des Morgens hier eingetroffen waren.

Doch Tischbein, jener Einfaltspinsel, schien die Begeisterung nicht zu teilen - noch nie hatte er die Faszination verstanden, mit welcher ich die Beschaffenheit der Mineralien und die Metamorphose der Pflanze zu ergründen suchte, wie zuletzt im botanischen Garten zu Padua - und tat mir Gewalt an, damit ich den Hammer wieder in den Dachsrucksack verschloss. "Na warte", dachte ich mir, "Herkules liess sich seine Keule auch nicht wegsperren", doch schon erschienen die Büttel der Stadt, und Tischbein riet zu Fersengeld. So erreichten wir schlechten Gewissens die Station der Postkutschen, und verliessen Richtung Florenz - ob ich aus Bologna getrieben oder daraus gejagt worden, wüßte ich nicht zu sagen.
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