martedì, luglio 10, 2007

Bologna

Früh 5 Uhr stahl ich mich mit der ersten Droschke gen Tiburtina, um dort die Express-Postchaise nach Bologna hin zu besteigen. Zu Florenz trat Tischbein zu mir in das compartement, und wir verbrachten einge fröhliche Stunden, und erreichten bald genug Bologna. Zuerst also San Petronio, jenes Monument, dessen Größe einst im Bau der Papst beschnitt, damit sein Ruhm nicht über Rom erstrahle. Welch nach Höherem strebende Genius des Baumeisters, der Prometheus gleich Jupiters Zorn nicht scheute und seine Blitze! Menschen, die solch edle Gesinnung zu begreifen nicht instande sind, sprechen im Verborgnen auch von finanziellen Problemen.

Doch Bolognens Fürsten fürchten sehr um Missetäter aus dem Morgenlande, weswegen jeglich Eintritt denen verweigert bleibt, die einen Mantelsack und Dacksrucksack ihr eigen nennen. So wechselte ich mich ab mit Tischbein, der zuerst Sankt Petronens Kirch betrat.

Im Inneren hielten sie heilige Messe, weswegen tiefrer Einblick in der Künstler Wirken uns verwehret blieb. So wendeten wir den Gang gen der Piazza dei Notai, den ein gar eigenartig Brunnen schmückt, dem Meeresaufwühler Neptun geweiht.

In sonderlicher Pose fanden wir an seinem Sockel eine spärlich bekleidete Nymphe vor, aus derem wallenden Busen in vollem Strahle (walle-walle) Wasser zum Bade sich ergiesse:

Dergleichen war uns schon einst begegnet, als wir in der Kardinäle Palazzi im alten Tibur residierten. Doch zu größerem zog uns eine höh're Kraft, zu erklimmen windeshohe Türme, derer noch zweien schmücken das Bild der alten Römerstadt. Einst maßen sich die noblen Familien der Stadt an der Höhe ihres Turmes, von wo aus man heutzutage einen vorzüglichen Blick geniesst über der Landen Weite. Mit gutem, bindenden Kitt und eisernen Ankern kann man schon tolles Zeug machen.


Den himmlischen Genius über rotgeziegelte Dächerei erhoben wir, und liessen ihn schweifen von den letzten Ausläufern der Apeninnen hinab in die weite Po-Ebene.

Bei diesem Worte wanderte mein Gedanke über die Alpen, und ich gedachte meiner lieben Lotte zu Weimar, die mich des öfteren in bitt'ren Zwiespalt warf, mich fragend "Wolferl, findst Du mein Gesäss eigentlich zu ausladend?"... mich in widren Gedanken windend trat ich die Treppe herab. Die Alten nur verstanden sich auf dergleichen Aporien und schulten ihren Geiste an solchem unlösbaren Dilemma menschlichen Daseins. Mit behendem Griff zog ich ein ledern Büchlein hervor aus der Rocktasche mit den Werken des Sophokles, was mir Moritz, liebster Freund zu Weimar, einst zum Geburtstag darreichte. Eifrig blätternd stolperte ich auf halber Treppe in den Türmer, der mich in gar eigenartgem Idiom des Weges verwies.

Tischbein ward von der eigenartigen Grille ergriffen, noch die Werke der Meister sehen zu wollen im Museum der Stadt, doch mich übermannte Hypnos des Weges. Müden Hauptes liess ich den Blick schweifen über üppige Malerei der Schulen Bolognens und Ferrarens, doch regte sich nicht mein Genius, in dergleichen zu erkennen, was zu schauen ich in den unprätenziösen Werken eines Perugins in der Lage war. Ein praller Pinsel schien hier vollste Farben zu spielen, doch wo war Grazie, wo Anmut, wo das Göttliche, wo die Vollkommenheit des Unvollendeten, was mich einst auch in den Skizzen Leonardos bebenden Herzens ergriff?

Nein, der Werke Guercins und Carracens sah ich einst schon zu Rom im Palast der Pamphilij und zu Gast beim Botschafter der Franzosen, und was ich hier vorfand, schien der Musen Geiste nicht geatmet zu haben. Wir verliessen diesen Ort, der mir kein Musenhain zu sein schien, und promenierten uns unter den langen Arkaden der Stadt, entlang der ehrwürdigen Universität, ein wenig, hin zum Markte, wo wir im Dufte von Spezereien und im Anblick allerlei konterfeitem Geschmeide eine Melone erstanden.


Tischbein ergriff behend das Klappmesser, und zerteilte sie in wohlproportionierte Schnitze, derer ich mich emsig bediente. Ich dachte an den Hunger, den einst Fürst Ugolino, von dem Dante uns zu berichten wusste, im Verlies mit seinem Söhnen empfanden haben musste, und mit welcher Selbstlosigkeit er sich seinen eigen Fleisch und Blute zur Speise vorsetzte. Ein wahrhaft dramatischer Stoff, und ich dachte lange nach, ob sich neben meiner "Iphigenie" auch daraus vielleicht ein weitres Theaterstück schmieden liesse. Doch warte ich immer noch auf Antwort aus Weimar, ob mein Götz ihnen überhaupt gefallen habe. Wenn nicht, so sollen sie mich im Arsche lecken, dachte ich, und biss lustvoll schmatzend in den Schnitz.

Mit mahnender Stimme rief Tischbein "Nicht so gierig, Herr Geheimrat", doch schon hatte sich der süsse Nektar über meinen weissen Gehrock verteilt. Aber Helios hatte seinen Pferden schon die Zügel gegeben, damit zum Ozean sie sich senken, und so fühlte ich mein Gewand in der Sonne des Nachmittags recht geschwind getrocknet. Gewärmten Gesäßes erhob ich mich, aus den Arkaden der Stadt zu klopfen einen Achtelzentner jenes interessanten rötlichen Gesteins, über dessen Konsistenz ich rätselte, seitdem wir des Morgens hier eingetroffen waren.


Doch Tischbein, jener Einfaltspinsel, schien die Begeisterung nicht zu teilen - noch nie hatte er die Faszination verstanden, mit welcher ich die Beschaffenheit der Mineralien und die Metamorphose der Pflanze zu ergründen suchte, wie zuletzt im botanischen Garten zu Padua - und tat mir Gewalt an, damit ich den Hammer wieder in den Dachsrucksack verschloss. "Na warte", dachte ich mir, "Herkules liess sich seine Keule auch nicht wegsperren", doch schon erschienen die Büttel der Stadt, und Tischbein riet zu Fersengeld. So erreichten wir schlechten Gewissens die Station der Postkutschen, und verliessen Richtung Florenz - ob ich aus Bologna getrieben oder daraus gejagt worden, wüßte ich nicht zu sagen.

Auch ich in Arkadien!