mercoledì, luglio 04, 2007

Firenze

Ἦμος δ’ ἠριγένεια φάνη ῥοδοδάκτυλος Ἠώς ...

Sanft legt sich die rosenfingrige Morgenröte über Florenz, um uns zu wecken, die Gemmen in der Krone der Toskana zu bewundern... die Faszination von Perugia und vom letzten Ausflug nach Umbrien sitzt noch tief, und so stehen dieses Mal die Werke von Perugino auf dem Programm.

Erste Station ist dabei die recht unaufällige Kirche Santa Maria Maddalena dei Pazzi. Sie wurde einer Karmeliterin aus der Familie der Pazzi geweiht, welche berühmt war für ihre ekstatischen Visionen.


Die Familie der Pazzi ist vor allem bekannt durch die sog. Verschwörung der Pazzi, einem Machtkampf aus höchst kapitalistischen Motiven zwischen den Pazzi, Papst Sixtus IV. und den Medici. Lorenzo de Medicis Bruder Giuliano wurde 1478 auf dem Gipfel der Auseinandersetzung bei der Messe im Dom von Florenz getötet. Lorenzo selbst wurde verletzt und entging schlimmeren Verletzungen, weil der Humanist Angelo Poliziano ihn in der Sakristei einschloss. Die Verschwörung scheiterte, der Mob lynchte die Verschwörer und liess die Leichen aus dem Fenster des Palazzo Vecchio baumeln - Kenner des Filmes Hannibal werden sich an die Anspielung an dieses Ereignis erinnern.


Perugino schmückte die Kirche einst aus mit einem Kreuzigungsfresko, auf welches wir sehr gespannt waren. Umso enttäuschender das Schild am Eingang der Kirche:

Ich habe mich kurz mit dem Pfarrer unterhalten, der uns partout nicht in die Kirche lassen wollte. Stattdessen wütete er über das Ministerio dei beni culturali, die anscheinend keinen Wachmann für das Sahnestückchen finanzieren wollen/können...

Na gut, nicht ganz so schlimm, Florenz beherbergt ja noch weitere Werke meines Lieblingskünstlers aus der Schule der umbrischen Malerei. So hat er in den Uffzien sogar einen eigenen Raum...


... in Bezug auf den uns die Anzeigetafel vor dem Museum freundlicherweise nach langem Anstehen hinweist, dass er momentan geschlossen ist. Doppelt Scheisse also. Der Perugino-Kreuzzug musste sich somit also mit einem semispektakulären da massenproduzierten Himmelfahrtsszene in der Kirche Santa Maria Assunta zufriedengeben:

Recht erfolglos waren wir also, als wir in Florenz mit der umbrischen Malerei fremdgehen wollten. Büsserhaft wandten wir uns also den Sahnestückchen einheimischer Künstler zu, angefangen in Santa Maria Novella, deren wunderbare Renaissancefassade irgendwie schon seit Monaten verhangen ist:


Bedeutendes Werk ist ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkendes Fresko von Masaccio an den sonst für römische Augen so nackt wirkenden Wänden der Kirche:

Die "Heilige Dreifaltigkeit" stellt in der europäischen Malerei ein Schlüsselwerk dar, weil Masaccio in ihm auf flacher Wand auf noch nie dagewesene Weise Perspektive entstehen lässt. Er orientierte sich dazu an den mathematischen Studien seines Freundes, des Architekten Brunelleschi, zu dessen bedeutendsten Werken die Kuppel des Doms von Florenz zählt.

Leonardo da Vinci schrieb über Masaccio:
"Dopo questo [Giotto] l'arte ricadde, perché tutti imitavano le fatte pitture, e così andò declinando, insino a tanto che Tommaso fiorentino, scognominato Masaccio, mostrò con opra perfetta come quegli che pigliavano per altore altro che la natura, maestra de' maestri, s'affaticavano invano."
Auf den Spuren dieses Meisters der Frührenaissance wandelnd führte unser Weg in die von Masaccio ausgemalte Kapelle in Santa Maria del Carmine. Die Kirche ist ausgeschmückt mit Szenen aus dem Leben des Apostel Petrus:

(Petrus heilt Lahme, indem sein Schatten sie berührt)

("Il tributo" - Jesus lässt Petrus einen Fisch fangen, in dem sich die Münzen befinden für den Tempeleintritt - auch in Firenze zahlt man für durchgehend geöffnete Kirchen...)

(Wiederauferweckung der Tabita)

Innerhalb des obigen Freskos wird die Apostelgeschichte im Florenz der damaligen Zeit in Szene gesetzt. So sind die Häuser und die Passanten ganz in diesem Stile gestaltet. Vor allem die detailgetreue Wiedergabe der Kleidung der Nobelmänner regt dazu an, hier eine Anspielung an den Stifter, Felice Brancacci, zu sehen, einem Edelmann, der (wie die meisten Florentiner) über Textilhandel an sein Vermögen gekommen ist...

(Detail)

Auch in der "Distribuzione dei beni e la morte di Anania" finden sich evtl. Anspielungen auf aktuelles Zeitgeschehen des Quattrocento. Die Geschichte aus den Apostelgeschichten (4, 32 - 35 / 5, 1 - 11) handelt davon, dass in der Gemeinschaft der Gläubigen alle Güter verkauft wurden und der Erlös unter allen verteilt wurde. Anania jedoch soll etwas für sich behalten haben und nicht den gesamten Erlös bei Petrus genannt und abgegeben haben, was dieser mit den Worten quittierte: "Du hast nicht den Menschen gegenüber gelogen, sondern Gott" - woraufhin Anania tot zu Boden fällt. Vielleicht eine Anspielung auf den 1427 eingeführten catasto, eine Art Finanzamt, dem jeder Bürger sein exaktes Einkommen angeben musste...

An den Seitenwänden finden sich ausser Stationen in Petrus Leben auch Szenen aus dem alten Testament. Die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies ist ein Paradebeispiel für die bahnbrechende Ausdrucksstärke des Freskos von Masaccio:

Der italienische Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi spekuliert in seinem Buch über Masaccio, dass die schmerzerfüllten Gesichtszüge Evas Munchs "Schrei" antizipieren:

(Unten: Darstellung der bedeutendsten Künstler der damaligen Zeit)

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