mercoledì, giugno 27, 2007

Romulus und Remulus

Berlusconi wird ja von wenigen Menschen (mal abgesehen von ihm selbst) ein intellektueller, feinsinniger Geist zugesprochen. Schon oft erntete eher Spott und Verachtung für seine diplomatischen Entgleisungen und "Bushismen" - zuletzt für eine Ansprache auf dem G8-Gipfel in Genua Ende März. Es sollte ein bildungsschwangerer Exkurs werden über die Frage, in wie weit der Zufall die Geschichte beeinflusst. In diesem Kontext erzählte er die Gründungsgeschichte Roms - etwas frei nach Livius mit Romulus und Remulus (Video guggst du hier!).

Doch mit allem Spott über diese Rede wurde ihm hier Unrecht getan - bewegt er sich doch ganz offensichtlich und bewusst in dichterischer Tradition, nämlich im Kielwasser des römischen Dialektdichters Giuseppe Gioacchino Belli.


Die kleinen Leute von der anderen, armen Seite des Tibers - verbunden über eine Brücke mit dem Rest der Stadt, die geziert wird von der vierköpfigen Janusstatue die auf seinem Denkmal zu sehen ist - , aus Trastevere, nannten ihn suo poeta: ihren Dichter. Er war ein humorvoller und scharfzüngiger Kritiker des päpstlichen Roms des 19. Jhdt. Und der wusste schon damals, wer Rom, den Vatikan, das Campidoglio, das Volk und das Castello wirklich gebaut hat:

A PADRON MARCELLO


Chi ha frabbicato Roma, er Vaticano,
er Campidojjo, er Popolo, er Castello?
Furno Romolo e Remolo, Marcello,
Che ggnisun de li dua era romano.
Ma un e ll'antro volenno èsse soprano
de sto paese novo accusì bbello,
er fratello nimmico der fratello
Vennero a patti cor cortello in mano.
Le cortellate agnédero a le stelle;
E Roma addiventò dar primo giorno
Com'è oggi, ‘na Torre-de-Bbabbele.
De li sfrìzzoli oggnuno ebbe li sui:
E Roma, quelli dua la liticorno,
Ma venne er Papa e se la prese lui.

Das ganze war also kein Versprecher von Berlusconi, sondern ein Versuch, mit dieser literarischen Anspielung die Lacher der anderen Gebildeten im Sitzungssaal auf seiner Seite zu haben.

Und da Berlusconis intellektuellen Seiten ganz offensichtlich unterbewertet sind, bin ich heute mal zur Parteizentrale der Forza Italia gepilgert, um mich weiterzubilden. Na gut, in Wirklichkeit wollte ich das "Silvio Santo Subito!" Poster für meine WG haben, aber was ich stattdessen bekommen habe waren (neben einem Forza Italia - Euroumrechner) jede Menge vielseitige Bücher...

... mit künstlerisch wertvollen Stellungnahmen zeitgenössischer Zeitgenossen zum Konflikt mit der islamischen Welt:

Mit dieser Zeichnung - man denke an die Judendarstellungen im dritten Reich - scheint man sich wieder ganz an dem diplomatischen Gespür und am Geschichtsunverständnis des Parteivorsitzenden orientiert zu haben. Die Blicke der Menschen waren schon hart, als ich mit der prall gefüllten "Forza Italia" - Papiertüte im Bus stand. Wohl zurecht.