domenica, giugno 17, 2007

Umbria: Spoleto & Trevi

Beschaulich ists in Umbrien. Schon Dichterfürst Goethe erklomm einst den borgo, um ganz was tolles zu entdecken. El$e M.C. rappt uns mal vor passendem Hintergrund etwas vor aus seiner italienischen Reise:


"Spoleto hab' ich bestiegen und war auf der Wasserleitung, die zugleich Brücke von einem Berg zu einem andern ist. Die zehen Bogen, welche über das Tal reichen, stehen von Backsteinen ihre Jahrhunderte so ruhig da, und das Wasser quillt immer noch in Spoleto an allen Orten und Enden. Das ist nun das dritte Werk der Alten, das ich sehe, und immer derselbe große Sinn. Eine zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst, so steht das Amphitheater, der Tempel und der Aquadukt. Nun fühle ich erst, wie mir mit Recht alle Willkürlichkeiten verhaßt waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und so mit tausend andern Dingen. Das steht nun alles totgeboren da, denn was nicht eine wahre innere Existenz hat, hat kein Leben und kann nicht groß sein und nicht groß werden."
Die Frage, ob Spoleto jene innere Existenz hat, ist nicht ganz so leicht zu klären. Der Charme der Stadt scheint sich tendenziell eher auf Schwarzwaldklinik-Niveau einzupendeln.

Unten: Luigi da Spoleto kehrt zur Mittagszeit heim vom Markt. Seine Frau bittet ihn schon seit Wochen, doch endlich mal wieder die Einfahrt zu mähen. Doch Luigi hört so schon schlecht genug, und nach 40 Jahren Ehe gilt seine wahre Liebe mittlerweile den Rosen, in deren zartduftendes Refugium er sich, im Schatten der mittelalterlichen Mauer vor der Mittagssonne geschützt, gleich zurückziehen wird...

Nein, aber wir wollen der Stadt kein Unrecht tun. So gibt findet im Juni und im Juli in Spoleto das Festival dei due mondi statt, in eben jenem Amphitheater, von dem auch Goethe spricht. Darüber hinaus verfügt Spoleto über den beeindruckenden Dom Santa Maria Assunta:

Darin befinden sich in der Bischofskapelle Fresken von Pinturicchio, einem Schüler von Perugino, meinem Lieblingsmaler und dem Grossmeister der umbrischen Schule:

Darüber hinaus besticht der Dom durch ein Fresko von Filippo Lippi, das die Krönung der Jungfrau darstellt:
Desweiteren gibt es noch die päpstliche Burg, die Rocca Albornoziana, die hoch über der Stadt thront.
Papst Innozenz VI. überschrieb Kardinal Albornoz 1353 den Auftrag, sich doch bitte um die Wahrung der Grenzen des Kirchenstaates zu sorgen. So begab sich zu Beginn der zweiten Hälfte des 14. Jhdts. Gattapone, Baumeister aus Gubbio, an die Vollendung der Burg, welche er mit einem absolut rechteckigen Grundriss versah.

Einer der zwei Innenhöfe der Burg ist der Corte d'Onore, in welchem sich noch einige, wenn auch nicht viele gut erhaltene Fresken der Päpste befinden.

Der eckige Brunnen zeigt das Wappen mit dem Schlüssel Nikolaus V., der hier in Spoleto verweilte, als in Rom die Pest herrschte:

In dem Verbindungsgang zum anderen Hof, dem Corte dell'Arme, findet sich am Tonnengewölbe das Wappen Papst Gregors, der damals in Avignon weilte und erst von der hlg. Katherina von Siena (übrigens Schutzpatronin Europas!) zurück nach Rom geholt wurde.Im gleichen Gewölbe findet sich Anspielungen auf den Territorialbesitz der Kirche, so auf Avignon (zu erkennen an der vielbesungenen Brücke!):
Und natürlich finden wir auch das für die Kirche strategisch so wichtige Spoleto, zu erkennen an der von Goethe (s.o.) so gelobten "Aquadukts". Hier irrte der Dichter übrigens fürstlich, nämlich in Wirklichkeit handelt es sich um ein Viadukt.

Die freundliche Dame führte uns nun in die obere Gallerie mit den Papstwappen, und wir stellen fest: Auch in Umbrien summen die Bienen der Barberini:
Und auch Alexander VII. liess sich in Spoleto verewigen:

Unten: Das gleiche Wappen Alexander VII. vom Petersplatz in Rom:

Unsere Führerin opferte sich wirklich auf, um uns die interessanten Details der Festung vor Augen zu führen. Doch nicht alle waren aufmerksam, was sich im interpretablen pas de deux zweier T-Shirts künstlerisch ausdrückt:

Links auf dem T-Shirt unserer wohlgebildeten Touristenführerin (Klicken zum Vergrößern) finden wir die dreimalige Aufschrift "and and and". Zur rechten sehen wir einen Touristen, der mit seinem T-Shirt wohl die von ihm empfundene Langatmigkeit und die Aneinanderreihung ("and and and") ohrkanalverstopfender Tatsachen zum Ausdruck bringen will: SPAM ist der Markenname eines amerikanischen Frühstücksfleischs (Abkürzung für SPiced hAM); der Begriff ist heute jedoch wohl besser bekannt für unerwünschte Emails. Das geht darauf zurück, dass Informatiker, die ja alles von Monty Python toll finden, den Begriff für dieses Phänomen verwendeten in Anspielung eines Sketches der Komikertruppe, in dem das Wort Spam des öfteren wiederholt wird - zuletzt etwas absurd von einem Wikingerchor untermalt (Video guggst du hier!).

Doch er tat ihr Unrecht, denn unsere Führerin erschloss uns hervorragend sowohl das Äussere als auch das Innere der Anlage. Dort fanden sich teilweise noch recht gut erhaltene Fresken eines wohl unbekannten Künstlers.

Vom Stile der Gebäude her vielleicht ein Giottoschüler?
Die Fresken erzählen uns eine heute inhaltlich nicht mehr bekannte, aber wohl romantische Rittergeschichte:

Romantisches findet sich auch auf der Ausschmückung der Bögen zwischen den Kammern: Links eine Dame, die einen Granatapfel - Zeichen der Fruchtbarkeit...

... ihrem Geliebten auf der linken Seite zuwirft.

Es scheint sich also höchstwahrscheinlich um das ehemalige Schlafzimmer oder einen anderen Ort der Fortpflanzung zu handeln, auf die der Künstler mit dem Granatapfelwurf subtil anspielt - natürlich nur solange sich nicht jemand kontrazeptiv dazwischenstellt.

Nach solch frivolen Fresken stiegen wir brüskiert den Berg hinab Richtung Bahnhof, um von dort weiterzufahren nach Trevi. Soviel vorweg: Trevi ist nicht der Ort, an dem die Quelle für den Trevibrunnen entspringt (der Name des Brunnens kommt wahrscheinlich von trivium, einem Ort, an dem drei Straßen zusammenlaufen).

Eigentlich ist auch Trevi eines dieser beschaulich schnuckeligen Bergstädtchen, derer es unzählige gibt in Umbrien und derer ich nun schon einige gesehen habe. Der Grund, warum ich meine Begleitung und meinen eigenen Körper dennoch die Windungen der steilen Strasse durch sanfte Olivenhaine hinaufquälte, an deren Rande umlautstarke "deutsche" Plakate lauerten, ...

... lag in der Kirche Santa Maria delle Lacrime. In einem Ausstellungsführer hatte ich gelesen, dass dort Perugino, jener von mir so verehrte Meister der umbrischen Malerei, dort ein Fresko der Adorazione dei Magi (= Die heiligen drei Könige) angefertigt hatte.

Recht schlecht restauriert war es schon, das Fresko, und natürlich konnte es nicht mithalten mit seinen Werken in der sixtinischen Kapelle oder im Collegio del Cambio in Perugia. Aber es hat sich gelohnt, und auf jeden Fall ist es gut für eine kleine Anekdote: auf dem Sockel findet sich die Unterschrift des Künstlers "Petrus De Castroplebis Pinxit".

Man sagt, dass an dieser Stelle der Künstler einmal eine Reihe von neun "P" hinterlassen hatte und sich weigerte, das Werk zu vollenden. Anscheinend wollte er in dieser Abkürzung ausdrücken "Pietro Perugino Per Poco Pinse. Preposto Porco Paga Presto!" und auf diese Weise darauf hinweisen, dass er sein geehrter Auftraggeber doch bitte zeitnah das Geld überweisen solle. Wie es mit der Wahrheit auch sei, auf jeden Fall eine gut erfundene Anekdote. In klassischer Stifterpose verweilen wir ehrfurchtsvoll einen Moment vor der Kirche und erweisen Künstler und Schöpfer unsere Ehre und danken auch dafür, dass er uns den Weg gewiesen hat zu dieser wirklich schlecht ausgeschilderten Kirche.